Wie viele Normen und Regeln verträgt das Bauwesen

Die Frage der Normung wird seit Jahrzehnten und mit zunehmender Intensität in den letzten Jahren diskutiert. Leider haben die am Bau Beteiligten unterschiedliche Zielsetzungen und so vermischen sich sowohl die Sichtweisen als auch die Ziele, was den Überblick sehr schwer macht.

Grundsätzlich müssen alle Baubeteiligten zugeben, dass es zu viele Normen und Regeln gibt und sich diese teilweise auch noch widersprechen, also konkurrierende Forderungen formulieren.

Nun ist es zunächst verständlich, dass die „Hersteller“ von Normen und Regeln großes Interesse daran haben bestehende Regel aufrecht zu erhalten und zu erweitern und neue Regeln zu erzeugen, sie finanzieren sich ja dadurch.

Dem gegenüber sind die Anwender dieser Normen und Regeln nicht glücklich, wenn die Anzahl und der Umfang der Regeln zunehmend wachsen. Ständig kommen neue Baustoffe auf den Markt und parallel müssen immer neue und zusätzliche Anforderungen erfüllt werden, ein zunehmend komplexeres und undurchsichtiges Baugeschehen. In vielen Bereichen müssen die Planer und Bauausführenden entscheiden, gegen welche Regel sie verstoßen wollen, denn alle Regeln einzuhalten ist häufig nicht möglich. Drastischer formuliert geht es weniger darum, ob man einen Fehler begeht, sondern eher darum welchen Fehler man begeht.

Das liegt natürlich einerseits auch an der sehr guten Lobbyarbeit vieler Verbände, welche die Produkte ihrer Mitglieder fördern und auf dem Markt platzieren wollen. Andererseits sind in vielen Regionen die Baupreise so hoch, dass die Käufer und Eigentümer ihre Gebäude genau untersuchen lassen, um Planungs- oder Baufehler möglichst auszuschließen. Ganz nebenbei lässt sich auf diesem Weg häufig auch der Kaufpreis reduzieren, eine Unart die auch gerne als dritter Finanzierungsweg bezeichnet wird. Die Gerichte haben diesen Gedanken teilweise einen Riegel vorgeschoben, weil sie auf einer Mangelbeseitigung bestehen.

Es bleibt aber die unschöne Situation der unüberschaubaren Regelvielfalt, die stetig zunimmt. Genährt wird dies von unserem stetigen Bestreben die Welt vollumfänglich zu beschreiben und dabei möglichst jede Kleinigkeit und jeden Sonderfall beschreiben zu wollen um letztlich eine perfekte und fehlerfreie Welt, oder zumindest Gebäude zu erschaffen. Wenn wir ehrlich sind, muss dieser Versuch als kläglich bezeichnet werden und ist eindeutig zum Scheitern verurteilt.

Wir, d.h. alle Baubeteiligten sollten unsere Zeit und Energie darauf konzentrieren die vorhandenen Regeln auf ein zwingend erforderliches Mindestmaß zu reduzieren, fachübergreifend zu kommunizieren und den Blick zuerst auf die fachlichen Zusammenhänge zu konzentrieren. Es ist nicht hilfreich zu versuchen „Schuldige“ zu suchen, oder eine Kostendiskussion zu führen, denn gerade die Kosten lassen sich nach Belieben „verbiegen“ oder in die gewünschte Richtung drehen, sodass bestimmte Fachrichtungen in einem vermeintlich schlechten Licht erscheinen.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass das Bauwesen eindeutig Normen und Regeln braucht, aber die Hälfte der heute vorhandenen Seiten würde vollauf genügen! Das ist ein weiter, aber sehr ehrenvoller Weg dieses Ziel zu erreichen…